Sitzung mit einer älteren Frau, die seit Monaten einen schweren, juckenden Hautausschlag hat. Sie sagt zu Beginn über sich, dass sie keine Gefühle mehr hat, sich nicht mehr freue und nur noch von Tag zu Tag dahinschleppe, mit einem Gefühl von Überdruss und Müdigkeit. Und das seit Jahren. Ich lasse sie einfach erzählen, und frage ab und an mal nach Emotionen, die mit ihrer Geschichte verknüpft sind, auf der Suche nach einer Emotion, bei der ich in die Tiefe arbeiten kann. Sie findet nicht viel, und kann nichts davon größer machen. Allerdings schluckt sie bei einer Kindheitsepisode schwer. Auf Nachfrage bricht es heraus, wie undankbar sie sich selbst erlebt, weil sie nicht zufriedener mit ihrem Leben sein kann. Plötzlich fängt sie heftig an zu weinen. Ich stelle fest, dass die Hauptgefühle eine abgrundtiefe, lebenslange Einsamkeit und ein Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit sind. Nie fühlte sie sich erfolgreich, geliebt, umsorgt. Körperlich hat sie schon von Kindesbeinen an wenig Zuwendung erfahren, auch wenn sie alles hatte, was man so zum (Über-)leben braucht. Jetzt konnte sie ihre Emotion auch größer machen. Wie in einer Welle, die sich am Strand bricht, wurde die Emotion kleiner, machte sie den Rest größer, wurde die Emotion kleiner, bis nichts mehr spürbar war.
Sie war dann sehr erstaunt, wie starke Emotionen sie „zustandegebracht“ hat, wo sie doch seit Jahrzehnten nichts mehr wirklich zu spüren meinte.
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